Wir zahlen für unsere Bequemlichkeit

Rauminterventionen

Eröffnung: 

Saturday, 27. September 2014 - 14:30

Laufzeit: 

27/09/2014 to 28/11/2014

Eintritt: 

frei

Video: 

Stefanie Wuschitz @esc 2014

Wohin wandern unsere Daten, wenn wir sie nicht mehr sehen? Es ist trügerisch angenehm, sich darüber kaum Gedanken zu machen. Sich hingegen dem Datenrauschen zu widmen, statt sich ihm zu ergeben, muss nicht zugleich heißen, sich der digitalisierten Kommunikation und Technologie ganz zu entziehen oder gar auf die mit ihr einhergehende Ermächtigung zu verzichten. Es bedeutet zunächst lediglich, behutsam Spuren zu lesen, die wir hinterlassen haben, und sie danach vielleicht feinsäuberlich zu verwischen. Damit das Verwischen nicht zur langweiligen Hausarbeit verkommt, sondern diebisches Vergnügen bereitet, bietet die Überwachungskamera Installation mole position‘ spielerische Möglichkeiten des Entkommens.

Keine Sorge, auch die ‚Data Couch‘-Elemente im Vorraum haben dunkle Geheimnisse – und jenen, die sichs auf ihnen bequem gemacht haben, fehlt nur die nötige Distanz, um sie zu entziffern. Werden wir einst für den digitalen Komfort bezahlen müssen, der heute noch so facebookhaft schnurrt und sich googlisch anschmiegt? Oder sollen wir Krallen zeigen? Aufmucken, uns wehren, umstellen?

Hacken ist eine Praktik des kreativen Umkrempelns. Man denkt, konzipiert etwas verquer anders, als es gedacht war: Die Wärmeflasche als Teekanne, den Schuhabsatz als Hammer, ein Email als Poesie: Die Menschen, die sich zu helfen wissen, sind oft auch jene, die sich zusammenraufen, die – im gleichen Boot sitzend – Offenheit als kleinsten gemeinsamen Nenner kultivieren. Zwei kommen da schnell und kollektiv auf ‚grünere Zweige‘ als eine allein. Drei dagegen sind, mit Geduld und Spucke, im Nu eine Institution. Und was dann? Wie sind einmal entstandene Strukturen zu hegen und zu pflegen, zu erhalten und upzugraden?

Der flimmernd strahlende Titel der Ausstellung MINISTRY OF HACKING wird an der Glasfläche der Hausfront ins Auge stechen und darauf schließen lassen, dass Institutionalisierung auch horizontal statt vertikal vor sich gehen kann. Das Ministerium fürs Hacken leuchtet verheißungsvoll: verlockt es zum politisierten Handeln, zum kritischen Selber-Machen, zum Freiheiten einräumen, dazu, Gedachtes neu zu denken? Die Leuchtschrift der Installation „Datenschatten“ jedenfalls flackert dank aufmerksamer Sensorinnen in direkter Korrelation mit Passantinnen. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, Schatten der sich auf die Leuchtkraft des MINISTRY OF HACKING niederschlägt. Doch jedes einzelne Department dieses Ministrys steht für sich, und ihre Summe ist mehr als die einzelnen Teile. Dem hartnäckig konformen Nullsummenspiel setzen wir unerschöpfliche Transformation entgegen, die durch die üppigen Unterschiede zwischen den internationalen Ausstellenden und den verschiedenen Besuchenden gespeist wird. Das MINISTRY OF HACKING verändert sich. Installationen sind site-spezifisch und mutieren über die Dauer der Ausstellung, KünstlerInnen debattieren über ihnen nahegehende Theorie und verändern sich oder mutieren dadurch selbst, Interventionen transformieren den Raum durch das Generieren unterschiedlicher Situationen. Das Flüssige im MINISTRY OF HACKING gerinnt in Form neuer Sicherheiten und Subjektpositionen –zum Beispiel in der des „feministischen Hackers“, hantierend mit weiblich konnotierter freier Hardware, wie dem Lilypad oder der – sich um Demokratisierung bemühenden – Technologie, wie dem Raspberry Pi, deren Schaltkreise in den Installationen offen sichtbar liegen, statt sich hinter stylischen Interfaces zu verbergen. Wir verwenden diese Technologie nicht leichtfertig, sondern mit Audrey Lordes’ „The Master’s Tools will Never Dismantle the Master’s House“ im Hinterkopf (1979). Jedes Ringen mit selbstentwickelter Hardware, mit freier Software, mit gespeicherten Daten, ist ein Ringen mit der kontextualisierenden Kultur, in der sich aus verstreuten Blickwinkeln ein neues Ministerium generiert.

AutorIn: 

Stefanie Wuschitz
  • 2014_data-shadow_stefanie-wuschitz04-s, © esc medien kunst labor
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  • 2014_mole-position_stefanie-wuschitz06-s, © esc medien kunst labor
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  • 2014_mole-position_stefanie-wuschitz01-s, © esc medien kunst labor