Concrete

Laufzeit: 

04/11/2011 bis 26/11/2011

Öffnungszeiten: 

Dienstag - Freitag

14:00 - 19:00

Eröffnung: 

Freitag, 4. November 2011 - 19:00
 	  Concrete 4. - 26.11.2011

CONCRETE

In der Regel erscheinen Ausstellungen – sowohl solche der Kunst als auch solche der Wissenschaft - als „Fest-stellungen“, als feste unveränderliche Gefüge, die Tatsachen präsentieren: Kunstwerke, Schaustücke sowie Texte die diese in analytischer Weise untereinander in Beziehung setzen. Den Besuchern wird damit die Realität als eindeutig und objektiv präsentiert, als unveränderliches Monument

Concrete. Eine Ausstellung zum menschlichen Erfahrungs- und Erkenntnisprozess

„Die Welt beschreibt einen zuallererst vom Körper ausgehenden sinnlich erlebten und erfassbaren, später begrifflich erweiterten Zusammenhang eines allumfassenden Inneren.“ (Philosophisches Wörterbuch, Meiner 1998)
In dieser Begriffsbestimmung deutet sich an, dass eine enge Verbindung zwischen dem Menschen und dem Begriff Welt besteht. Darin spiegelt sich nicht nur die Tatsache, dass letzterer ohne Zutun des Menschen nicht geprägt worden wäre, sondern auch jene, dass die Aussicht auf die Welt immer aus einer spezifischen Position innerhalb dieses Gefüges heraus geschieht. An der Basis des menschlichen Erfahrungs-/Erkenntnisprozesses ist dabei der Körper des Menschen zu finden, von dem letzten Endes jede Aussage über den als Welt erfahrbaren Zusammenhang gemacht wird.
„Der Leib (ist) jener seltsame Gegenstand, der seine eigenen Teile als allgemeine Symbolik der Welt gebraucht und durch den wir somit einer Welt zu begegnen, sie zu verstehen und ihr Bedeutung zu geben vermögen.“ Merleau-Ponty (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung, S277

„Ich nehme wahr mit meinem Leib, mit meinen Sinnen, wobei mein Leib und meine Sinne nichts anderes sind als eben dieses habituelle Wissen von der Welt, diese implizite oder sedimentierte Wissenschaft.“ Merleau-Ponty (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung, S278
Die Sinnesorgane als Schnittstelle zwischen Innerem und Äusserem arbeiten dabei mit Analogien und Differenzen, benötigen also auch ein Konzept der Ähnlichkeit zwischen Äusserem und Innerem, um Aussagen über ein spezifisches Äusseres treffen zu können. Der Erfahrungs- und Erkenntnisprozess ist ein mimetischer Prozess der gegenseitigen Angleichung. Der Kletterer tastet die Felswand ab und kann sie so nicht nur im Geiste durchsteigen, sondern kann die dabei gemachen Erfahrungen auch an der Wand anwenden. Er hat die Felswand verinnerlicht, und hat dabei auch die Seite gewechselt, ist selbst teilweise zur Wand geworden, um die Reibungsfläche zwischen sich und ihr so gross wie möglich zu machen.

Dabei wird aber auch die Wand dem Menschen ähnlich gemacht: sie hält ihn, lässt ihn nicht abgleiten, lässt ihn durchsteigen oder aber sie lässt ihn scheitern. Die Reibung an der Welt ist ein mimetischer Akt, ein Akt des wechselseitigen Angleichens zur Herstellung eines Gleichgewichts. Mimesis bedeutet hier aber nicht lediglich die kopierende Imitation eines Vorbildes. Mimesis heißt auch, etwas zur Darstellung bringen zu wollen, etwas auszudrücken, ist also „nachschaffen und verändern in Einem, und zielt auf eine Verbesserung und Verschönerung ab, eine gestaltende Nachahmung“. Wulf, C. (1997): Vom Menschen. , S. 1018.

Mimesis bezeichnet die Bezugnahme auf einen anderen Menschen oder eben auch auf eine andere „Welt“, in der Absicht, ihm oder ihr ähnlich zu werden, indem man die Welt in der Vorstellung und physisch gestaltend an sich angleicht oder sich ihr angleicht um sie zu ergründen.
Auf diese Weise bietet die Ausstellung concrete - sowohl durch die Ausstellungsobjekte, als auch durch das performative Konzept des gestaltenden Eingreifens durch BesucherInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen, und den dabei sichtbar gemachten Erfahrungsprozess - nicht nur eine Aussicht darauf, wie unterschiedlich Sachverhalte erfahren werden können, wie unterschiedlich sie aufgefasst, beurteilt und zusammengestellt werden können, und wie dabei individuelle und kulturelle Kategorien und Normen eingesetzt, variiert, adaptiert und verändert werden müssen, sondern verweist letzten Endes auch auf die - für den Erfahrungsprozess notwendige - poetische Gabe des Menschen.

Brandlmayr 2011