Internal Collection

Eröffnung: 

Freitag, 22. September 2023 - 17:00

Laufzeit: 

22/09/2023 bis 17/11/2023
 Amy Karle, Internal Collection, gelbes Seidenkleiden basierend auf Bändern

Amy Karles künstlerische Praxis charakterisiert sich durch eine Auseinandersetzung mit den Verbindungslinien zwischen digitalen, physischen und biologischen Systemen. Dabei befasst sie sich mit der Frage nach dem Menschlichen im Zusammenspiel mit immer neuen technologischen Errungenschaften, die unser Leben verändern. Entgegen der sonst oft dystopisch anmutenden Kunstwerke, die sich mit Technologie befassen, entwirft die in den USA lebende Künstlerin eine Vision der Zukunft, in der Technologie aktiv genutzt wird, um positive Effekte auf die Menschheit und unseren Planeten auszulösen. Wie beeinflusst die Konvergenz, Vermischung und Rekonfiguration organischer und künstlicher Körper unsere Definition dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein?

Die Werkserie „Internal Collection“ wurde von 2016 bis 2017 realisiert. Dabei handelt es sich um mit dem 3D-Drucker angefertigte Objekte, kombiniert mit anderen Materialien – Kleider aus Seide, Polyester, Baumwolle, Natur- und synthetischen Fasern. Konventionen über Körper und Schönheit verschmelzend, zeigt diese auf der menschlichen Anatomie basierende Bekleidungsserie Darstellungen innerer Systeme in tragbarer Form. Nervensysteme, Sehnen und Bänder sowie das Lungensystem dienten dabei als Ausgangspunkte. In einer Transformation von organischen Systemen und deren mikroskopischen Strukturen zu ästhetischen Objekten wird der Blick auf den Mikrokosmos Mensch gelenkt – ebenso auf die Produktionsweisen der Modebranche, in der neue Verfahren des 3D-Drucks zum Einsatz kommen. Jedes Kleid der Werkserie wurde mit einer anderen Methode produziert. So wurden zunächst 3D-Scans des menschlichen Körpers hergestellt und in anatomische Zeichnungen in Form von digitalen Designs (CAD) übersetzt. Die mit Laser geschnittenen Musterteile wurden zuletzt maschinell und manuell zum finalen Objekt vernäht.

Dabei bedient sich die Künstlerin einer Reihe helfender Hände aus den unterschiedlichen Branchen – sowohl die Umsetzung als auch die Produktion und Präsentation ihrer Objekte betreffend. Das „Sampling“ oder „Cross-Over“ wird hier als ästhetische Strategie der Medienkunst besonders greifbar: Bereits Nam June Paik ließ den ersten Roboter als Performer einer Kunstperformance von einer Firma bauen. Das künstlerische Moment wird verlagert auf den Moment der Idee (ein Prinzip der frühen Konzeptkunst) – die Umsetzung erfolgt durch Andere in den entsprechenden Disziplinen (bspw. schreibt den Code jemand anderes). Jenes inter- oder transdisziplinäre Verfahren offenbart sich als explizit künstlerische Methode im Werkentstehungsprozess. Wie in Bezug auf die Werke von Karle bereits einmal festgestellt wurde: „Ihre Arbeiten sind Hybriden, die sowohl künstlerische als auch wissenschaftliche Methoden umfassen.“

Neben den Objekten realisierte die Künstlerin mehrere Videos und Fotografien mit Models, die ihre Objekte präsentieren. Unweigerlich entsteht dabei die Assoziation zu Oskar Schlemmers „Triadischen Ballett“, in dem in Formen und Farbe gegossene Figurinen eine Inszenierung darboten. Mode und Kunst erscheint als immer schon eng miteinander verflochten – nicht zuletzt definiert auch die von den Künstler:innen gewählte Mode das öffentliche Bild von Künstler:innen entscheidend mit. Wäre Joseph Beuys auch Beuys gewesen ohne seinen Hut? Wäre Vivienne Westwood ohne die Kunst zu einer solchen Ikone der Mode geworden?

Die Modebranche war schon immer an der Spitze von Innovation und Technologie, von den ersten Erfindungen wie Webstuhl und Nähmaschine bis hin zum Aufstieg von Automatisierung und E-Commerce. Mit der zunehmenden Verflechtung unseres Lebens mit der digitalen Welt prägt die neue Technologie auch das neue Gesicht der Mode und treibt die Kreativität, Tragbarkeit, Produktion und Nachhaltigkeit der Branche voran, was unweigerlich auch die Ästhetik verändert.

Mit „Internal Collection“ hinterfragt Amy Karl das aktuelle Körperbild wie die die neuen Möglichkeitsräume digitaler Körperlichkeit. Die im esc medien kunst labor präsentierte Auswahl aus der Werkserie „Internal Collection“ lenkt den Blick auf eine Zukunft, die sich der Potentiale der technologischen Errungenschaften abseits der Schattenseiten von Technologie bewusst ist: Zwischen Design und Kunst, modischem Kleidungsstück und Kunstwerk, zwischen der Ästhetisierung feinster Nervensysteme des menschlichen Körpers und der Transformation in ein künstlerisches Objekt, das von lebenden Modellen getragen werden kann.

In einem Aufsatz von Marlene Bart, Johannes Breuer und Alex Leo Freier werden die Werke der Künstlerin wie folgt beschrieben: „Karles Erforschung des menschlichen Körpers konfrontiert uns mit verborgenen rhizomorphen Verbindungen unter unserer Haut, Aspekten der Spiritualität und dem immer weiter voranschreitenden technischen Fortschritt in der Humanmedizin und unserer Umwelt.“

[Elisabeth Passath]

 

  • ©esc medien kunst labor_Desert of Realities_Amy Karle Internal Collection  nervous system
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  • ©esc medien kunst labor_Desert of Realities_Amy Karle Internal Collection Außenansicht
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  • ©esc medien kunst labor_Desert of Realities_Amy Karle Internal Collection lungs
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